Entscheidend bei der Überwindung meiner Angst vor Krankheiten war, dass ich mir klar darüber wurde, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen wollte.
Gastbeitrag von: Sebastian D. Kraemer psog.de/angst-vor-krankheiten-was-tun/
Gastbeitrag von: Sebastian D. Kraemer psog.de/angst-vor-krankheiten-was-tun/
Ich sitze an meiner Hausarbeit für mein Studium. Plötzlich zuckt mein Augenlid. Meine Beine kribbeln und mein Gesicht fühlt sich merkwürdig an. Irgendwie taub, ganz fremd. Mir wird schwindlig.
Moment, könnte ein taubes Gefühl im Gesicht nicht vielleicht auf einen Schlaganfall hindeuten?
Moment, könnte ein taubes Gefühl im Gesicht nicht vielleicht auf einen Schlaganfall hindeuten?

Ich bekomme Angst und laufe zum Spiegel. Ich sehe eigentlich ganz normal aus. Wenn ich die Mundwinkel zum Lächeln nach oben ziehe, hängt keine Seite nach unten. Die Zunge kann ich rausstrecken. „Fischers Fritz fischt frische Fische. Frische Fische fischt Fischers Fritz“. Auch der Zungenbrecher geht mir erstaunlich leicht von den Lippen.
Gottseidank, wohl kein Schlaganfall. Aber meine Beine kribbeln immer noch und ich fühle mich seltsam.
Ich hole mein Handy raus, öffne Google und tippe meine Symptome ein. „Kribbeln Taubheitsgefühle Schwindel.“ In Sekundenschnelle zeigt die Suchmaschine mir die Ergebnisse an. Ich klicke das erste an und finde als die wahrscheinlichsten Ursachen: Stress und Verspannungen. Das macht Sinn, schließlich habe ich im Moment Stress ohne Ende. Aber die Symptome könnten auch auf Multiple Sklerose hindeuten. Nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich.
Und diese Möglichkeit macht mich fertig. Ich sehe mich schon im Rollstuhl sitzen.
Der Gedanke lässt mich nicht los und ich rufe beim Neurologen an. Zum Glück bin ich privat versichert und so bekomme ich schon nächste Woche einen Termin.
Alle neurologischen Untersuchungen zeigen keinerlei Auffälligkeiten, doch ich bestehe auf ein MRT meines Kopfes.
Zwei Wochen später habe ich die Ergebnisse: Alles in Ordnung, kein MS. Ich bin erleichtert.
Drei Tage später zweifle ich die Ergebnisse wieder an. Vielleicht hat man doch etwas übersehen, denn die Symptome sind nicht weg, im Gegenteil: Irgendwie habe ich inzwischen auch ein Flimmern vor den Augen.
Gottseidank, wohl kein Schlaganfall. Aber meine Beine kribbeln immer noch und ich fühle mich seltsam.
Ich hole mein Handy raus, öffne Google und tippe meine Symptome ein. „Kribbeln Taubheitsgefühle Schwindel.“ In Sekundenschnelle zeigt die Suchmaschine mir die Ergebnisse an. Ich klicke das erste an und finde als die wahrscheinlichsten Ursachen: Stress und Verspannungen. Das macht Sinn, schließlich habe ich im Moment Stress ohne Ende. Aber die Symptome könnten auch auf Multiple Sklerose hindeuten. Nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich.
Und diese Möglichkeit macht mich fertig. Ich sehe mich schon im Rollstuhl sitzen.
Der Gedanke lässt mich nicht los und ich rufe beim Neurologen an. Zum Glück bin ich privat versichert und so bekomme ich schon nächste Woche einen Termin.
Alle neurologischen Untersuchungen zeigen keinerlei Auffälligkeiten, doch ich bestehe auf ein MRT meines Kopfes.
Zwei Wochen später habe ich die Ergebnisse: Alles in Ordnung, kein MS. Ich bin erleichtert.
Drei Tage später zweifle ich die Ergebnisse wieder an. Vielleicht hat man doch etwas übersehen, denn die Symptome sind nicht weg, im Gegenteil: Irgendwie habe ich inzwischen auch ein Flimmern vor den Augen.
Ich hatte täglich Symptome und Ängste

Und so ging das mehr als drei Jahre. Mal befürchtete ich eine neurologische Erkrankung wie Multiple Sklerose oder einen Hirntumor, mal glaubte ich, mit meinem Herz wäre etwas nicht in Ordnung und ein anderes Mal hatte ich Angst vor Krebs.
Die Angst vor Krankheiten machte mich verrückt. Ich hatte viele wechselnde Symptome und zweifelte daran, dass alles durch die Psyche ausgelöst werden sollte. Ja, ich wusste, dass ich an einer Angststörung litt, doch das bedeutet ja nicht, dass ein Hypochonder nicht tatsächlich schwer erkranken könnte. Im Gegenteil: Vielleicht beschwor ich mit meinen Ängsten sogar eine ernste Krankheit hervor?
Mein Denken drehte sich tagein tagaus um mögliche schwere Krankheiten, die mein Leben auf den Kopf stellen würden. Diese drei Jahre fühlten sich an wie die Hölle auf Erden.
Die Angst vor Krankheiten machte mich verrückt. Ich hatte viele wechselnde Symptome und zweifelte daran, dass alles durch die Psyche ausgelöst werden sollte. Ja, ich wusste, dass ich an einer Angststörung litt, doch das bedeutet ja nicht, dass ein Hypochonder nicht tatsächlich schwer erkranken könnte. Im Gegenteil: Vielleicht beschwor ich mit meinen Ängsten sogar eine ernste Krankheit hervor?
Mein Denken drehte sich tagein tagaus um mögliche schwere Krankheiten, die mein Leben auf den Kopf stellen würden. Diese drei Jahre fühlten sich an wie die Hölle auf Erden.
Heute habe ich meine Angststörung überwunden

Mir geht es längst wieder gut. Meine Krankheitsängste habe ich hinter mir gelassen. Ich kann akzeptieren, dass es die absolute Sicherheit nicht gibt. Es bleibt ein Restrisiko und letzten Endes wird das Leben eines Tages vorbei sein. Doch bis es soweit war, wollte ich mein Leben leben.
Dabei wusste ich damals mit Ende zwanzig nicht, wie mein Leben überhaupt aussehen sollte. Und das war vielleicht der Hauptgrund, weshalb diese Hypochondrie aufrechterhalten wurde.
Entscheidend bei der Überwindung meiner Angst vor Krankheiten war, dass ich mir klar darüber wurde, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen wollte.
Wollte ich in einer normalen Beziehung leben oder bevorzugte ich eher lose Partnerschaften? Wollte ich Kinder? Und was wollte ich eigentlich wirklich arbeiten?
Ich stand vor schweren, wegweisenden Entscheidungen, die ich mich nicht zu treffen traute. Schließlich konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, dass diese oder jene Entscheidung sich letztlich auch als die richtige herausstellt. Und solange ich davon ausging, schwer krank zu sein, musste ich diese Entscheidung auch nicht treffen.
Dabei wusste ich damals mit Ende zwanzig nicht, wie mein Leben überhaupt aussehen sollte. Und das war vielleicht der Hauptgrund, weshalb diese Hypochondrie aufrechterhalten wurde.
Entscheidend bei der Überwindung meiner Angst vor Krankheiten war, dass ich mir klar darüber wurde, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen wollte.
Wollte ich in einer normalen Beziehung leben oder bevorzugte ich eher lose Partnerschaften? Wollte ich Kinder? Und was wollte ich eigentlich wirklich arbeiten?
Ich stand vor schweren, wegweisenden Entscheidungen, die ich mich nicht zu treffen traute. Schließlich konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, dass diese oder jene Entscheidung sich letztlich auch als die richtige herausstellt. Und solange ich davon ausging, schwer krank zu sein, musste ich diese Entscheidung auch nicht treffen.
Mit diesen Fragen aus der Krankheitsangst

Heute kann ich aus meiner Erfahrung sagen, dass Hypochonder sich unbewusst oft ganz gerne ablenken, indem sie sich mit Krankheiten befassen. Ablenken von notwendigen Veränderungen, wichtigen Entscheidungen oder auch einem langweiligen, leidenschaftslosen Leben.
Ungeschminkt auf das eigene Leben zu blicken und sagen zu müssen: „Das gefällt mir so nicht!“ und zwar ganz unabhängig von den Ängsten, kann sehr schmerzhaft sein. Darum ist es nicht unverständlich, dass man es vorzieht, sich mit möglichen Krankheiten auseinanderzusetzen. Solange muss man sich nicht mit diesen Dingen befassen.
Die Lösung auf dem Weg aus der Krankheitsangst liegt meiner Erfahrung nach meist nicht darin, dass wir uns klar machen, gesund zu sein oder uns die geringe Wahrscheinlichkeit vor Augen führen, dass die Symptome tatsächlich durch etwas Ernstes ausgelöst werden. Schließlich können wir das nicht mit absoluter Gewissheit ausschließen.
Vielmehr sollte man versuchen, die Angststörung bei der Suche nach einer Lösung in den Hintergrund zu schieben und schauen, was wirklich ansteht, wenn man gedanklich nicht ständig davon ausgehen würde, schwer krank zu sein.
Dabei kann Dir die Beantwortung folgender Fragen eine Hilfestellung geben:
Die Beantwortung dieser Fragen könnten Dich auf Deinem Weg aus der Angst vor Krankheiten nach vorne bringen.
Ungeschminkt auf das eigene Leben zu blicken und sagen zu müssen: „Das gefällt mir so nicht!“ und zwar ganz unabhängig von den Ängsten, kann sehr schmerzhaft sein. Darum ist es nicht unverständlich, dass man es vorzieht, sich mit möglichen Krankheiten auseinanderzusetzen. Solange muss man sich nicht mit diesen Dingen befassen.
Die Lösung auf dem Weg aus der Krankheitsangst liegt meiner Erfahrung nach meist nicht darin, dass wir uns klar machen, gesund zu sein oder uns die geringe Wahrscheinlichkeit vor Augen führen, dass die Symptome tatsächlich durch etwas Ernstes ausgelöst werden. Schließlich können wir das nicht mit absoluter Gewissheit ausschließen.
Vielmehr sollte man versuchen, die Angststörung bei der Suche nach einer Lösung in den Hintergrund zu schieben und schauen, was wirklich ansteht, wenn man gedanklich nicht ständig davon ausgehen würde, schwer krank zu sein.
Dabei kann Dir die Beantwortung folgender Fragen eine Hilfestellung geben:
- Was läuft in Deinem Leben ganz unabhängig von den übertriebenen Ängsten so gar nicht nach Plan?
- In welchen Bereichen Deines Lebens bist Du unzufrieden und wie könntest Du daran etwas verändern?
- Was für Entscheidungen stehen an, die Dir unendlich schwer fallen?
- Mit welchen schönen Dingen füllst Du die freigewordene Zeit, wenn Du nicht mehr in Deinen Körper hinein spürst, Dr. Google befragst oder beim Arzt sitzt?
Die Beantwortung dieser Fragen könnten Dich auf Deinem Weg aus der Angst vor Krankheiten nach vorne bringen.

Über den Autor:
Sebastian D. Kraemer hatte neben massiver Angst vor Krankheiten mit heftigen Panikattacken zu kämpfen.
Als Coach, Autor und Blogger hilft der heute 38jährige Vater einer kleinen Tochter Menschen mit einer Angststörung.
Seinen Weg aus der Angststörung beschreibt er in seinem Buch „Exfreundin Angst“. Weitere Tipps zum Umgang mit Krankheitsängsten findet Ihr auf.