
Lebe dein Leben. Es ist das einzige Geschenk, dass du nicht zweimal erhältst!
Gastbeitrag von Nicole
Das Leben ist ein Geschenk. Keiner hat gesagt, dass es immer leicht ist. Stell dir vor, du liest einen Spruch: Das Leben ist eine Bürde. Nimm diese schwere Last an und lebe dein Leben. Bämm, so nicht!! Nicht gerade motivierend.
Wie wäre es aber damit: Das Leben ist ein Geschenk. Pack es vorsichtig aus, erfreue dich daran, schätze es und gehe achtsam damit um. Klingt doch gleich anders, oder?
Was ich damit sagen will: Was genau in diesem Geschenk drin ist, kannst du nicht beeinflussen. Tatsache ist: Es gibt kein zweites Geschenk. Dieses Paket gibt es nur einmal. Nutze es. Lebe. Mach was draus. Das ist mein Motto: Yes, you can!
Zugegeben, das war nicht immer mein Lebensmotto. Oftmals war es eher ein „Durch-Wurschteln“, mal besser, mal schlechter. Die ganze Story erspare ich euch, das würde den Rahmen hier sprengen. Nur so viel, damit ihr versteht, warum ich hier überhaupt schreibe. Im Frühjahr 2017 wurde bei mir Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Schon davor gab es in meinem Leben einige Hürden – nicht ganz einfache Kindheit, Depressionen, verschiedene Unfälle mit Folgen, Operationen (Fuß, Knie, Bein, Rücken), Hörsturz, später dann weitere MS-Schübe und diverse Erkrankungen, leider auch bei meinen Liebsten.
Jetzt kommt das Geschenk wieder ins Spiel. Trauere ich verbittert all den Möglichkeiten hinterher, die ich in meinem Leben nicht (mehr) habe? Weil ich es nicht mehr schaffe, weil die Kraft fehlt, weil… Gründe, traurig zu sein, gibt es immer.
Ich kann diesen Wendepunkt in meinem Leben aber auch als Chance sehen. Als mir mein Neurologe freundlich, jedoch ohne etwas zu beschönigen, die Diagnose MS übermittelte, hat er mir tatsächlich ein „Geschenk“ mitgegeben. Das Geschenk war nämlich seine Antwort auf meine Frage, ob ich trotz MS tauchen könne, denn ich hatte einen Tauchurlaub zusammen mit einer Freundin gebucht, wollte seit vielen Jahren endlich wieder abtauchen, nachdem ich so lange darauf verzichtet hatte – für die Familie, aber auch aus gesundheitlichen Gründen. Jetzt also Multiple Sklerose, und das kann ja alles bedeuten. Kann, muss aber nicht. Die wunderbare Antwort des Arztes lautete: „Schränken Sie sich nicht ein!“
Das habe ich wörtlich genommen. Nicht sofort, sondern nach und nach. Ich bin in diesen Tauchurlaub gereist, trotz Hitze, Anstrengung und Unsicherheit im Umgang mit meiner Erkrankung. Das Tauchen hat mir wieder enorme Energie geschenkt, Lust auf das Leben, egal, was es noch alles für mich bereithält. Das weiß ja eh keiner, und MS, die Krankheit mit den 1.000 Gesichtern, lässt die Zukunft noch ein bisschen mehr im Dunkeln. Natürlich musste ich erstmal mit der neuen Situation klarkommen, den vielen Arztbesuchen, ständigen Blutabnahmen, Folgeschüben, starken Medikamenten, gefolgt von schlimmem Haarausfall und und und…
Trotzdem kann ich heute sagen, dass mich diese Erkrankung, quasi das Tüpfelchen auf dem i, stärker gemacht hat. Ängste und Sorgen haben natürlich vor allem die erste Zeit nach der Diagnose bestimmt. Es wäre gelogen zu behaupten, dass die nun mit einem Schlag weggeweht wären. Aber ich gebe ihnen einfach nicht mehr so viel Raum. Das heißt nicht „verdrängen“. Nein, das wäre falsch, denn das kann nicht funktionieren.
Für mich heißt das vielmehr, dass ich mich sehr wohl bewusst mit dem, was da noch kommen mag, auseinandersetze. Nach Lösungen suche. Möglichkeiten überlege. Was wäre wenn…. Das gehört durchaus dazu. Aber du kannst es immer auch ins Positive rücken. Also zum Beispiel. Was wäre, wenn der nächste Schub mir die letzte Kraft aus den Beinen zieht? Dann hätte auch ich daran ganz schön zu knabbern, logisch. Ich kann dann sagen: Shit, jetzt kann ich dies und das nicht mehr, das Leben ist jetzt nicht mehr schön. Ich kann aber auch sagen: Wenn ich dies und das auch weiterhin machen will (klar, bei mir geht es ums Tauchen, aber das können auch andere Dinge sein), dann finde ich Wege, die mir das in der neuen Situation weiterhin ermöglichen.
Allen voran: mir helfen lassen, dort, wo ich dann Hilfe benötige. Oder mir zeigen lassen, wie ich das künftig zum Beispiel auch ohne meine Beine schaffe. Um Rat fragen, und zwar diejenigen, die selbst einen ähnlichen Weg gegangen sind. Das konnte ich eigentlich noch nie, musste ich mich doch mein Leben lang, schon als ganz kleines Mädchen, um vieles selbst kümmern. Um Hilfe bitten hatte ich einfach nicht gelernt. Leicht fällt es mir immer noch nicht, aber hin und wieder nehme ich helfende Hände, die sich mir entgegenstrecken, gerne und dankbar an.
Und genauso umgekehrt. Ich will auch anderen helfen, mutig zu sein, ihre Träume zu leben, statt immer nur von einem Leben zu träumen, das in dieser Zeit ungenutzt dahintreibt. Deshalb habe ich Ende letzten Jahres mein Herzensprojekt gestartet, den Blog tauchen-mit-handicap.
Hier erzähle ich Geschichten von Tauchern und Taucherinnen mit Behinderung, zeige Wege auf, was alles möglich ist. Will Mut machen, helfen und andere mit meiner Begeisterung anstecken. Taucher mit Handicap unterstützen, solange ich selbst noch körperlich fit genug bin. Meine Träume leben. Denn der einzig richtige Zeitpunkt dafür ist jetzt - wann sonst?
Taucht gerne auch noch weiter ein in meine Welt und lasst euch von den Geschichten über andere Mutmacher inspirieren unter http://www.tauchen-mit-handicap.de
Eure Nicole
Journalistin, Bloggerin, Taucherin mit MS
Website: https://www.tauchen-mit-handicap.de
Instagram: @tauchenmithandicap
YouTube: tauchenmithandicap
